Liberales Stadtgespräch mit Constanze Backes und Bodo Herlyn (Inhaber der Kulturvilla)

Wie ist die Idee entstanden, in Mettmann ein Haus zu kaufen und darin darstellenden Künsten eine Bühne zu bieten?

C. Backes: Ich komme aus Mettmann und war natürlich beruflich auch einige Zeit nicht hier vor Ort. Aber schon länger bin ich zurück und bewohnte zunächst ein kleines Haus am Marktplatz. Das GVM-Haus (Gesellschaft Verein zu Mettmann) in der Beckershoffstraße stand vor dem Verfall und lange wusste man nicht, ob es abgerissen werden müsse. Da hat mir das Herz geblutet und ich musste einfach zuschlagen. Jahrelang war das Ringen um das im Jahr 1878 erbaute Haus Pressethema: Zum Glück hatten dann die Bürgervereine erwirkt, dass der Denkmalschutz verhängt und der Abriss abgewendet werden konnte. Mit dem Traum, das Haus zu übernehmen, entstand die Wunschvorstellung, es zu beleben und für alle zu öffnen.

Hatten Sie die gleiche Liebe zum Haus? Wie war denn das Zusammenspiel zwischen Ihnen beiden?

B. Herlyn: Ja, aber erst nachdem Constanze und ich es im Frühling 2015 gemeinsam erkundet hatten. Ein wunderbares Haus lag im Dornröschenschlaf mitten in der malerischen Oberstadt. Auch wenn das ganze Vorhaben etwas verrückt war und ich eigentlich nie mehr ein renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus besitzen wollte - schon gar nicht eine große Villa - so waren wir schon wenige Wochen später beim Notar. Das Zusammenspiel funktioniert dabei ziemlich gut: Constanze ist in der Musikwelt super vernetzt, wird von allen gemocht und liebt es, selber zuzupacken. Ich knete gerne Exceltabellen und Konzepte, mag aber auch, wenn es drum geht mitten in der Action das Chaos zu begrenzen und dabei die Leute glücklich zu halten, z.B. auf der Baustelle oder bei unseren Sommerfesten. Auch heute bei Kultur und Vermietungsbetrieb ergänzen wir uns. Ich freue mich, was für großartige Künstler und Veranstaltungen wir hier schon erleben durften, und Constanze freut sich, dass wir unsere Rechnungen zahlen können ohne nach dem Hauskauf weitere Kredite aufnehmen zu müssen.

Mussten sie damals und heute das gesamte Projekt finanziell alleine tragen oder gab es Unterstützung und Zuschüsse?

C. Backes: Wir haben damals alles aus unseren Ersparnissen gestemmt, auch weil wir gar nicht die Zeit hatten, eventuell mögliche Fördertöpfe zu suchen und dann auch noch rechtzeitig genehmigt zu bekommen. Klar würden wir uns freuen, wenn es einen öffentlichen Etat für private Kulturinitiativen gäbe, die inzwischen zu einem nicht unerheblichen Teil zum Kulturprogramm der Stadt beitragen, aber wir möchten überhaupt nicht klagen. Denn uns motiviert auch die vielfältige kleinteilige Unterstützung, ohne die es nicht gehen würde. Zum Beispiel die Vereinsmitglieder und Sponsoren.

B.Herlyn: Wichtig sind auch verschiedenen Anmietungen durch Stadt, Kreis, Parteien, Unternehmen und natürlich auch die Gastgeber von privaten Feiern der besonderen Ereignisse des Lebens. Inzwischen arbeiten wir mit einigen Caterern eng zusammen und unser Angebot wird rege genutzt, da wir mit Geschirr, Tischwäsche, Getränken, Technik und Service alles für eine gelungene Veranstaltung zunehmend professioneller anbieten können. Attraktiver sind wir neuerdings auch mit dem neu gestalteten Außenbereich und der renovierten Bar. Uns gehen die Ideen nicht aus wie wir uns weiter verbessern können.

Wie war der Weg vom Abrissobjekt zum heutigen Schmuckkästchen?

B. Herlyn: Mitten in den Bauarbeiten 2015 hatten wir schon unsere Feuertaufe. Auf dem Markt sollte eine große Tafel mit langen Tischreihen für Bürger veranstaltet werden, aber wegen eines Unwetters drohte alles, ins sprichwörtliche Wasser zu fallen. So boten wir an, spontan zu uns ins Chaos zu kommen.

C. Backes: Das werde ich nie vergessen. Pastor Ullmann hat noch selbst alles ausgefegt, um für Sauberkeit zu sorgen soweit es ging. Alles musste dann tatkräftig vom Markt zu uns gebracht werden. Alle haben angepackt. Das hat uns zusätzlich motiviert und so haben wir dann 2016 endlich eröffnen können. Seit 2017 sind wir offizielles Trauzimmer des Standesamts Mettmann, was uns besonders stolz macht.

Wie sehen sie die kulturelle Situation in Mettmann und die der Stadthalle?

C. Backes: Kultur bedeutet Emotion. Es geht um klassische oder moderne Musik, die Gefühle auslöst. Lesungen oder Bühnenstücke sollen den Gast fesseln und eintauchen lassen. Da gehört es für uns beide unweigerlich dazu, dass auch der Kulturort eine emotionale Bindung darstellt.

B. Herlyn: Wir finden das kulturelle Angebot in Mettmann wird manchmal schlechter geredet als es ist. Es gibt die schönsten Stadtfeste in der ganzen Region, wie Heimatfest, Weinsommer oder Blotschenmarkt, eines der besten Kinos in ganz Deutschland, Großveranstaltungen in der Stadthalle, wunderbaren Kirchenkonzerte, tolle Events im Golden K, regelmäßige Vernissagen im Kunsthaus, Konzerte in Kneipen, am Schäferbrunnen, in der Bibliothek und an anderen Orten. Und seit 3 Jahren gibt es eben auch uns - quasi für alles, wofür die Mettmanner sonst eher mal in die umliegenden Städte fahren und jetzt schneller am Ziel sind, und zwar in einer Atmosphäre, die wir als einzigartig empfinden.

C. Backes: Ich denke dabei auch an das alte Königshoftheater. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich an so eine Immobilie denke, die stetig verkommt. So etwas muss man doch erhalten und auch für die Bürger wieder anbieten können. Dort wäre Geld richtig investiert.

B. Herlyn: Der aus meiner Sicht wesentliche Grund, warum die Diskussion seit Jahren feststeckt ist, weil tragfähige Inhalte und Betriebskonzepte fehlen, erst einmal ganz unabhängig von einer Gebäudehülle. Welche Kultur soll und kann wo in Mettmann stattfinden, wird diese auch nachgefragt und wer soll sie wie betreiben? Wenn das geklärt wäre, dann würde es selbst der heutigen Stadthalle mit dem aktuellen Investitionsstau besser gehen. Und man hätte eine klarere Vision für die Zukunft. Dazu gehört übrigens auch, dass man eine Strategie für die Stadt entwirft. Welche Schwerpunkte wollen wir setzen und nach außen tragen? Der Neandertaler vor den Toren der Stadt ist wichtig, aber nicht alles. 

Wie gestalten Sie Ihr Programm?

B. Herlyn: Jedes Jahr haben wir ca. 20 Vereinsveranstaltungen, aber auch andere Veranstalter mit ungefähr 20 öffentlichen Veranstaltungen kommen hinzu. Das ist von Weltmusik über Comedy bis hin zu Klassik bunt gemischt. Wir haben aber auch schon Rap, Jazz, Theater, Mitsingkonzerte oder griechischen Punkrock bei uns gehabt. Hinzu kommen Musikschulkonzerte, Parteiveranstaltungen, städtische Empfänge, Lesekreise, Qigon Workshops und Reiseabende. Wir richten Workshops aus, veranstalten Mitsingkonzerte und eine Silvestergala und Constanze bietet Gesangsunterricht an. Wir stellen fest, dass es für alles ein Publikum gibt und so wollen wir auch zukünftig vielfältig bleiben. Mettmann möchte sowas auch – Vielfalt und Qualität.

C. Backes: Der Kulturvilla Mettmann e.V., unterstützt uns durch seine Mitgliedsbeiträge und wunderbare tatkräftige Helfer. Jeden ersten Donnerstag des Monats um 20 Uhr treffen wir uns zum „Jour Fixe“ bei uns. Dazu sind alle Menschen eingeladen, denn man muss kein Mitglied sein, um sich das mal anzuschauen. In der Runde werden dann auch das geplante Programm und die Möglichkeiten besprochen und verabschiedet.

Oft hört man in Mettmann „Gemecker“ zu aktuellen Themen. Wie stellt sich das Bild für Sie beide dar?

C. Backes: Wir sind positiv denkende Menschen. Wenn wir das nicht damals gewesen wären, hätten wir hier erst gar nicht starten dürfen. Skepsis ist kein guter Berater. Es gibt so viel Tolles in Mettmann. Das Sommerfest zusammen mit dem Kunsthaus, Café del Pastore und Golden K war ein schöner gemeinsamer Erfolg, Klang-Räume-Oberstadt ebenso und auch viele andere Veranstaltungen sind liebens- und erlebenswert. „Wir Oberstädter“ leben eine vitale und enge Gemeinschaft mit regelmäßigen Grillfesten und nachbarschaftlicher Unterstützung. Es gibt viele kreative Geschäftsleute in unserer Stadt. Mehr Menschen sollten gestalten statt zuzuschauen. Daher begrüßen wir auch eine Initiative wie die „liberalen Stadtgespräche“, die Menschen zum Gespräch und Zuhören zusammenbringt. Wir brauchen mehr Gespräche miteinander, denn dabei entwickeln sich doch Ideen.

Was wünschen Sie sich für die Mettmanner Zukunft?

C. Backes/B. Herlyn: Es wäre schön, Mettmann hätte mehr Möglichkeiten, die städtische Politik und Verwaltung verstärkt auf Kultur, neue Verkehrskonzepte und Bildung auszurichten. Ist allen auswärtigen Besuchern bewusst, welche Kultureinrichtungen wo zu finden sind? Ein Gedanke dabei wären aktualisierte braune Straßenschilder, die als Wegweiser auf wichtige kulturelle und historische Einrichtungen hinweisen. Und so einen Austausch wie heute sollte man doch mit viel mehr Leuten an einem Tisch machen. Es gab mal einen Neubürgertag, der aber kaum von Bürgern genutzt wurde. Jedoch kamen zu dem Anlass viele Vereine und Ehrenamtler zusammen und es entstanden so ganz nebenbei sehr gute Gespräche und reger Austausch.

Wir brauchen ein vernünftiges Parkleitsystem, damit jedem klar ist, wo was zur Verfügung steht. Dazu muss man auch mal alten Parkhausbestand renovieren und Druck machen, beispielsweise das ziemlich gruselige Parkhaus in der Neanderstraße besser zu sichern. Park- und vor allen Fahrraum darf aber auch gerne für mehr Fahrräder bereitgestellt werden, damit Mettmann insgesamt fahrradfreundlicher wird. Wenn eine Straße saniert wird, sollte dort immer sofort auch ein sicherer Fahrradweg mit eingeplant werden, damit man nicht erst drauf kommt, wenn es schon zu spät ist, und dann deutlich höhere Kosten entstehen.

Wir unterstützen das Projekt Gesamtschule, das für unsere Kinder leider zu spät kommt, aber auch mehr Investitionen in alle Mettmanner Schulen. Wir sind stolz darauf, dass sich diese so besonnen geführte Initiative bei uns gegründet hat, so wie auch die FFF-Ortsgruppe mit überaus engagierten Jugendlichen. Das farbenfrohe Banner für die erste Demo entstand in unserer Kegelbahn. Es ist schön, dass wir politischem und bürgerschaftlichem Engagement im wahrsten Sinne des Wortes „Raum geben“ können.

Vielen Dank Frau Backes und Herr Herlyn

Constanze Backes ist als vierfache Mutter begeistert wie eine Generation heranwächst, die die Welt aus einem anderen Blickwinkel sieht. Wo sie selbst noch mit Konventionen behaftet sei, da fahren die Jüngeren mit vollem Wind in den Segeln zu neuen Ufern. Sie ist als Opernsängerin weltweit an großen Bühnen mit bekannten Stars aufgetreten. Dann hat sie ihren Schwerpunkt auf die Alte Musik mit Auftritten in Kirchen (wie z.B. aktuell im Heidelberger Dom) verlagert und wird bald eine dritte Phase als singende Comedian einläuten.

Bodo Herlyn ist zweifacher Vater und war im Management der IT- und Consulting-Branche unterwegs. Heute liegt sein Schwerpunkt zunehmend auf dem Betrieb der Kulturvilla. Bis zu seiner Studienzeit hat er viel fotografiert und auch im eigenen S/W-Labor entwickelt. Hier in Mettmann findet seine alte Leidenschaft wieder vielfältigen Raum. Z.B. bei der Mettmanner Feuerwehr, der evangelischen Kirche und anderswo.